Am Dienstag, 27.10.2020 entschied ein unabhängiges Schiedsgericht, dass die Meldung des 1. FC Schweinfurts für die erste Runde des DFB Pokal 2020 / 2021 rechtmäßig ist.
Die Schiedsgerichtsvereinbarung schließt einen Gang zu ordentlichen Gerichten aus.
TürkGücü geht damit leer aus
Streitpunkt: DFB-Pokal-Teilnahme
Türk Gücü München klagte auf die Teilnahme am DFB-Pokal 2020/2021.
Der Bayerische Fußball-Verband hat den 1.FC Schweinfurt für die erste Runde des DFB-Pokals gemeldet.
Türk Gücü sah sich als punktebester Regionalligist als rechtmäßiger Teilnehmer, da der Verein zum Zeitpunkt des Lockdowns im März 2020 mit 9 Punkten Vorsprung die Tabelle der Regionalliga Bayern angeführt hatte.
Schiedsgerichtsurteil am 27.10.2020
Das Schiedsgericht entschied, dass die Entscheidung des BFV rechtskräftig ist.
Damit startet der 1.FC Schweinfurt mit Verspätung am 3. November in die 1. Runde des DFB Pokals gegen Schalke 04.
TürkGücü spielt mittlerweile in der 3. Liga in der Saison 2020 / 2021.
Während in Bayern die Uhren gewaltig stillstehen und die Saison 2019 / 2021 am 26. Spieltag erneut aufgrund der Covid19-Pandemie unterbrochen werden musste.
Eine Fortsetzung steht Stand jetzt (29.10.2020) noch in den Sternen.
Fußball als Verlierer?
BFV-Präsident Rainer Koch wird auf der Webseite des BFV nach dem Schiedsgerichts folgendermaßen zitiert:
„Wir hätten uns diese gerichtliche Auseinandersetzung sehr gerne erspart. Denn am Ende gibt es hier keine Gewinner, Verlierer war der Fußball.“
Das Schiedsgericht-Urteil gilt als “letztinstanzlich“.
Türkgücü Geschäftsführer Max Kothny wird auf web.de folgendermaßen zitiert:
Es wundert mich nicht, warum das Schiedsgericht am Montag die Öffentlichkeit nicht zugelassen hat. […] Wenn dieses Micky-Maus-Gericht so eine Fehlentscheidung trifft, dannn muss man das Ganze kritisch hinterfragen. […] Wir werden dagegen vorgehen.”
Quelle: https://web.de/magazine/regio/bayern/dfb-pokal-tuerkguecue-gerichts-entscheidung-hinnehmen-35212018
Türk Gücü ist der Verlierer
Denn Türk Gücü ist um die Teilnahme am DFB Pokal gebracht worden.
- Der DFB hat es versäumt seine Weisungsbefugnis gegenüber den Verbänden und Ligen durchzusetzen und hat ihnen freie Hand gelassen.
- 4 von 5 Regionalligen haben eine Lösung gefunden: Die Saison vorzeitig zu beenden.
- Der BFV hat als einziger Verband die Regionalliga im Juni nicht abbrechen wollen.
- Die Abstimmung zur Fortsetzung der Saison war mit 9:8 Stimmen extrem umstritten.
- Die Saison wird extrem und unnötig in die Länge gezogen. Warum?
- Durch den 2. Lockdown Ende Oktober 2020 ist der Spielbetrieb erneut unterbrochen.
- Eine Beendigung der Spielzeit ist nicht gewiss.
Wir fassen nochmal den Verlauf des Streits zusammen:
Saisonunterbrechung wegen Corona nach 23. Spieltag (7.3.2020)
Der 23. Spieltag der Regionalliga Bayern fand am 07.03.2020 statt. Es war der letzte Spieltag vor dem landesweiten, coronabedingten Lockdown, der zu einem Spielverbot führte.
Mehr als 7 Monate später wurde die Saison am 24.10.2020 mit dem 24. Spieltag fortgesetzt.
Nach dem 23. Spieltag sah die Tabelle der Regionalliga Bayern folgendermaßen aus:
Quelle: http://www.4-liga.com/regionalliga-bayern/tabelle-23-spieltag-1920.html
Tabellenführer war Türkgücü München mit 54 Punkten und damit 8 Punkten Vorsprung vor dem 1.FC Schweinfurt.
SAISONABBRUCH ODER FORTSETZUNG?
Die Frage, die sich viele Fußball-Ligen in der Zeit des Lockdowns stellten war:
Soll die Saison abgebrochen werden oder zu einem unbestimmten Zeitpunkt X fortgesetzt werden?
So entschieden sich die 5 Regionalligen in Deutschland
Regionalliga Nord
In der Regionalliga-Nord wurde die Saison am 25. Juni 2020 abgebrochen.
In der Spielordnung des Nord-Deutschen Fußballverbandes NFV steht unter §5.4 Wettbewerbsgrundsätze:
Für die Spielzeiten 2019/2020 und 2020/2021 gilt: Kann die Spielserie aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nicht zu Ende gespielt werden, kann die Abschlusstabelle anhand der sogenannten Quotienten-Regelung ermittelt werden.
Nach der Quotientenregelung (Punkte geteilt durch Spiele) wurde der VfB Lübeck mit einem Punkteschnitt von 2,44 Punkten vor dem VfL Wolfsburg II (2,33 Punkte im Schnitt) zum Meister erklärt.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Regionalliga_Nord_2019/20
Der Teilnehmer für den Landesverband Schleswig-Holstein wurde im August zwischen dem VfB Lübeck und dem 5. Ligisten SV Todesfelde ermittelt. Todesfelde gewann und qualifizierte sich ganz offiziell für den DFB-Pokal.
Regionalliga West
Die Saison 2019/2020 wurde aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen.
Die Tabelle ist nach dem Quotienten aus Punkte / Spiele errechnet.
Die Tabelle des 25. Spieltags gilt als Abschlusstabelle.
Da der SV Rödinghausen keine Lizenz für die 3. Liga beantragte, nimmt der Tabellenzweite SC Verl an den Aufstiegsspielen zur 3. Liga teil. Sportliche Absteiger gibt es nicht.
Regionalliga Südwest
Die Saison 2019/2020 wurde aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen.
Der Aufsteiger in die 3. Liga wird aus dem Quotienten Punkte / Spiele errechnet.
Somit steht der 1. FC Saarbrücken als Aufsteiger in die 3. Liga fest.
Steinbach Haiger beendet die Saison auf Platz zwei, Elversberg auf Platz drei. Der sportliche Abstieg wird ausgesetzt.
Regionallia Nordost
Die Regionalliga Nordost wurde ebenfalls abgebrochen. Nach der Quotientenregelung wurde der 1.FC Lokomotive Leipzig mit 2,14 Punkten im Schnitt als Meister ernannt vor der VSG Altglienicke mit 2,04 Punkten.
Beide Teams hatten 47 Punkte auf dem Konto. Lok Leipzig allerdings ein Spiel weniger. Außerdem hatten die Leipziger nur eine Niederlage aus 22 Spielen und mit 24 Gegentoren die beste Abwehr, während Altglienicke 6 der 23 Spiele verlor.
Leipzig durfte also in die 3. Liga aufsteigen.
Der Teilnehmer des Landesverbandes Sachsen-Anhalt für den DFB-Pokal sollte eigentlich im FSA-Pokal ermittelt werden. Dieser wurde vor den Halbfinalspielen aufgrund der Covid19-Pandemie abgebrochen.
Die vier potentiellen DFB-Pokal-Starter aus Sachsen-Anhalt waren also:
- Magdeburg (3. Liga)
- Germania Halberstadt (Regionalliga Nordorst / 4. Liga)
- Haldensleber (5. Liga)
- Lüttchendorf (6. Liga)
Die Teilnehmer sowie der Fußballverband Sachsen-Anhalt einigten sich “einvernehmlich” darauf, den Klassenbesten Vertreter mit 3. Liga-Absteiger 1.FC Magdeburg für den DFB-Pokal zu melden.
Quelle: https://www.fsa-online.de/de/der-fsa/2020-07-16-fsa-bricht-landespokal-ab.html
Der Zweitplatzierte VSG Altglienicke durfte als bester Vertreter des Landesverbandes Berlin im DFB-Pokal 2020 / 2021 antreten.
Regionalliga Bayern
Während in anderen Regionalligen im September 2020 bereits die neue Saison 2020 / 2021 startete, geht der Bayerische Fußball Verband einen Sonderweg und setzt die Saison 2019/2020 als Saison 2019 / 2021 fort.
Damit ist die Regionalliga Bayern die einzige der fünf Regionalligen, die ihre Saison nicht beenden wollte.
Nicht einkalkuliert wurde dabei unter anderem ein möglicher zweiter Lockdown, der am 27.10.2020 für eine weitere Unterbrechung des Spielbetriebs sorgte.
Streitpunkt DFB Pokal Teilnahme des Bayerischen Vertreters
Der DFB veröffentlichte am 13.8.2020 folgende Nachricht auf der eigenen Webseite:
Sollte der Pokalwettbewerb eines Landesverbandes der Spielzeit 2019/2020 bei den Männern bis zum Ablauf der Meldefrist (am 31.07.2020 a.d.Red.) nicht beendet sein, kann der jeweilige Landesverband innerhalb einer Meldefrist statt des Verbandspokalsiegers in eigener Verantwortlichkeit einen anderen Teilnehmer benennen.
Quelle: https://www.dfb.de/news/detail/corona-krise-auswirkungen-auf-den-fussball-213982/
In der Satzung des BFV heißt es unter §2.2 Mitgliedschaften:
Der BFV ist Mitglied des DFB mit Sitz in Frankfurt am Main. Aufgrund dieser Mitgliedschaft ist der BFV den Bestimmungen des DFB unterworfen und zur Umsetzung der Entscheidungen seiner Organe verpflichtet.
Dazu habe ich vier Fragen:
- Warum hat der DFB hier nicht Bestimmungen für alle Regionalligen festgelegt, da es den Aufstieg zur 3. Liga und der Teilnahme am DFB-Pokal geht?
- Könnte man das nicht als Extra-Wurscht, wie man in Bayern sagt, bezeichnen?
- Wie kommt es, dass der DFB hier keine einheitliche Regelung fordert und dem größten und Mitgliederstärksten Verband BFV hier soviel Eigenverantwortung lässt?
- Liegt es vielleicht auch daran, dass mit Rainer Koch der Präsident des BFV gleichzeitig Vize-Präsident des DFB ist?
Die eigene Verantwortlichkeit hat der BFV folgendermaßen interpretiert:
Beschluss über Fortsetzung der Regionalliga Bayern am 23.7.2020
In seiner Videokonfererenz am 23.7.2020…
“…hat der BFV-Vorstand formal die Entscheidung getroffen, dass die Saison 2019/20 der Regionalliga Bayern fortgesetzt wird. […] Mehrheitlich stimmten die Regionalligisten mit 9:8 allerdings dafür, die Saison im September zunächst mit dem neu geschaffenen Ligapokal-Wettbewerb fortzusetzen.
Hierzu hätte ich folgende Fragen:
- Ist niemandem aufgefallen, dass 9 + 8 nur 17 ergibt?
- Hat die Regionalliga Bayern nicht 18 Mannschaften?
- Welche Mannschaft durfte / wollte nicht abstimmen?
- Sollte bei Entscheidungen mit großer Tragweite nicht eine ausdrückliche Mehrheit (z.B. 2/3) nötig sein?
Diese Abstimmung hatte zur Folge
“…dass der vom DFB bestätigte Drittliga-Aufsteiger Türkgücü München satzungsgemäß aus der Wertung der laufenden Spielzeit 2019/2020 genommen wird. Damit gilt der Klub ab sofort nicht mehr als Teilnehmer der Regionalliga Bayern.”
Für den DFB-Pokal gilt damit:
“Am Stichtag wird der BFV den dann feststehenden Tabellenführer – ausgenommen sind Zweitvertretungen von Profiklubs – dem DFB melden. Aktuell ist dies der 1. FC Schweinfurt 05.
Dadurch ergibt sich ein verändertes Tabellenbild:
Quelle: https://www.dfb.de/regionalliga/regionalliga-bayern/spieltagtabelle/?no_cache=1
Alle Spiele gegen Türk Gücü wurden als Sieg mit 3 Punkten für die gegnerische Mannschaft gewertet.
Nachträgliche Änderung der Spielordnung des Bayerischen Fußball-Verbands am 1.9.2020
Der Vorstand des Bayerischen Fußball–Verbandes hat gemäß § 24 (2) der Satzung in seinen Sitzungen am 01.09.2020 nachstehende Änderung bzw. Ergänzung beschlossen [Quelle: Bfv.de].
Änderung der Spielordnung § 68 Nr. 7 SpO7.
Für die 1. DFB–Pokal–Hauptrunde qualifiziert sich der Bayerische Totopokalsieger sowie der bestplatzierte bayerische Amateurverein der Regionalliga Bayern.
Für das Spieljahr 2019/2020 gilt aufgrund der Covid–19–Pandemie folgende abweichende Regelung:
Aus der Regionalliga Bayern qualifiziert sich der zum Zeitpunkt des Ablaufs des Datums der offiziellen Meldefrist für den DFB–Pokal bestplatzierte bayerische Amateurverein unter Beachtung des § 19 Nr. 1.2. Regionalligaordnung zur Teilnahme an der 1. DFB–Pokal–Hauptrunde 2020/2021.
Diese Regelung wurde nachträglich verfasst, um die Teilnahme von Türk Gücü am DFB-Pokal zu verhindern und den 1.FC Schweinfurt als legitimen Teilnehmer zu erklären.
Durch den Ausschluss von Türk Gücü aus dem Spielbetrieb war das erst möglich geworden.
Das wäre nicht nötig gewesen, wenn der BFV, wie alle anderen Regionalligen, die Saison in weiser Voraussicht beendet hätte.
So ist eine Saison erstmals in der Geschichte des deutschen Fußballs über drei Jahre (Beginn 2019 – Ende 2021, wenn überhaupt) gestreckt.
Warum? Was bringt das? Wem nützt es?
Eigentlich nur Schweinfurt.
