Wann wehten zuletzt türkische Fahnen im Münchner Olympiastadion?

2008 bei der Fußball-Europameisterschaft, als dort eine Public Viewing Veranstaltung zum Halbfinale Deutschland gegen Türkei war.

Deutschland gewann und zog ins Finale ein. Die Türkei feierte aber trotzdem das tolle Abschneiden ihrer Mannschaft.

Damals waren rund 20.000 Zuschauer im Stadion um das Spiel auf einer Leinwand anzuschauen.

Geht es nach der Stadt München, wird im Olympiastadion bald wieder der richtige Ball rollen und sogar Profi-Fußball gespielt!

Denn der 3. Liga Aufsteiger Türkgücü braucht ein Stadion, das für die Lizenzvorgaben des DFB geeignet ist. Das Grünwalder Stadion ist mit 1860 München und der zweiten Mannschaft des FC Bayern allerdings schon stark ausgelastet.

Deswegen erlebt das Münchner Olympiastadion der Spiele von 1972 sein Comeback als Fußball-Stadion.

Eine Chance für Türkgücü weiter an seiner märchenhaften Erfolgsgeschichte zu feilen?

Ziel: Olympiastadion vollmachen

Olmypia StadionDas Olympiastadion wurde zu den Olympischen Spielen 1972 gebaut und war bis 2005 die Heimspiel-Stätte für Bundesliga-Spiele von Bayern München und 1860 München.

Es fasst 63.000 Zuschauer.

Nimmt man die rund 40.000 in München lebenden Türkischen Staatsbürger, kommt man dem schon ziemlich nah. Darüber hinaus gibt es rund 200.000 Deutsche mit türkischen Wurzeln.[1]

Das Potential für ein türkisches Fußball-Märchen wäre also gegeben. Vor allem, weil sich bestimmt auch viele Nicht-Türken für Profi-Fußball im Olympiastadion begeistern sollten.

Dafür sind aber weitreichende Sport-Marketing-Maßnahmen in Social Media und lokaler Presse nötig. Hierfür scheint Türkgücü aber im Moment in vielerlei Hinsicht keinen Kopf zu haben.

Wir werfen einen genaueren Blick auf eines der „spannendsten Projekt im bayerischen Fußball“, wie es der neue Nachwuchskoordinator von Türkgücü Alban Zinsou jüngst bezeichnete. [2]

Sportlicher Höhenflug und interne Querelen

Der 1975 gegründete Verein ist der Shooting-Star im deutschen Fußball. Dennoch geht es hinter den Kulissen heiß her.

Der Aufstieg in die 3. Liga ist aus sportlicher Sicht Formsache. Allerdings scheint Türkgücü sich oft selbst der größte Gegner zu sein.

Für eine 3.-Liga-Lizenz gibt es bei Türkgücü einige Baustellen zu beseitigen.

Die vier Baustellen von Türkgücü München

  1. Der Trainer
  2. Das Geld
  3. Das Stadion
  4. Die Öffentlichkeitsarbeit

Baustelle #1: Der Trainer

Am 01.06.2020 wurde während der Corona-Pause Trainer Rainer Maurer entlassen, obwohl die Mannschaft mit 9 Punkten Vorsprung Tabellenführer in der Regionalliga Bayern ist.

Das sieht man im Fußball sehr selten, dass der Trainer eines Tabellenführers entlassen wird. Gilt doch diese Maßnahme als letzter Versuch etwas gegen eine Talfahrt zu unternehmen.

Für die dritte Liga müsste also noch ein Trainer gefunden werden, der zu diesem Niveau passt. Keine allzu einfache Aufgabe. Vor allem wird das nicht günstig werden, da jetzt bekannt ist, dass selbst der erste Platz nicht den Ansprüchen zu genügen scheint.

Bereits im Februar 2020 wurde Sport-Vorstand Robert Hettich beurlaubt. Nachfolger Max Kothny hat alle Hände voll zu tun.

Baustelle #2: Das Geld

Türkgücü Präsident Kivran appellierte an die Spieler für einen möglichen Aufstieg auf Gehalt zu verzichten. Dieser Forderung kamen zunächst nur wenige Spieler nach.

Nach und nach willigten aber dann doch alle bis auf einen Spieler ein auf Gehalt zu verzichten, was absolut nachvollziehbar ist, wenn jemand ein anderes Angebot hat, bei dem er mehr verdienen kann.

Baustelle #3: Das Stadion

Für die 3. Liga könnte Türkgücü 12 Heimspiele im Grünwalder Stadion austragen. Maximal 8 weitere Heimspiele können im Olympiastadion ausgetragen werden.

Das gaben am Freitag, 19.06.2020 die Stadt und die Betreibergesellschaft des Olmypiaparks bekannt. Die Bedingung dabei ist allerdings laut Geschäftsführerin Marion Schöne, dass diese Spiele außerhalb der Open-Air-Saison stattfinden. Das sagte Schöne in einem Interview mit der ARD:

„Weil wir natürlich mit einem Open-Air ein bißchen mehr verdienen, kann man sich vorstellen, als mit einem Fußball-Spiel mit ein paar tausend Zuschauern.“

Ein paar tausend Zuschauer sind stand jetzt allerdings aus zweierlei Gründen nicht zu erwarten.

  1. Es könnte im Zuge der Corona-Pandemie zu Geisterspielen kommen.
  2. Das Zuschauer-Aufkommen von Türkgücü ist weit davon entfernt in die Tausenden zu gehen (siehe Baustelle #4).

In den Sommer-Monaten finden standardmäßig große Musik-Veranstaltungen im Olympiastadion statt. So gab es 2019 unter anderem ein Konzert der Rock-Bands Rammstein und Metallica im Münchner Olympiastadion.

Als Fußballstadion galt das Denkmal geschützte Stadion schon 2005 als überholt, als der FC Bayern dort sein letztes Bundesligaspiel ausgetragen hat.

Mittlerweile gibt es keine von der DFL selbst für die 3. Liga vorgeschriebene Rasenheizung mehr. Die Flutlichtanlage bringt aktuell auch noch nicht die benötigte Leistung.

Baustelle #4: Die Öffentlichkeitsarbeit

Die Webseite des Vereins liegt seit dem Corona-Lockdown so gut wie brach. Seit der Coronapause Ende März gab es nur einen neuen Beitrag auf der Webseite, die zu dem nicht auf dem neuesten Stand der Technik ist (Design und SSL-Verschlüsselung lassen zu wünschen übrig).[3]

Das digitale Leben von Türkgücü spielt sich bisher auf Facebook ab. Die Münchner sind auch der Verein mit den meisten Facebook-Fans aller Regionalliga-Bayern-Teams: rund 10.000. [4]

Das spiegelt sich aber leider nicht in den Zuschauerzahlen vor der Coronapause wider.

Mit einem Zuschauerschnitt von nicht mal 500 Zuschauern pro Heimspiel hat Türkgücü nur die zehnt meisten Zuschauer aller Mannschaften in der Regionalliga Bayern.

Zum Vergleich: Verfolger Schweinfurt hat mehr als 3x so viele Zuschauer im Schnitt pro Heimspiel.

Maximal waren 680 Fans vor Ort und wollten ein Heimspiel des souveränen Tabellenführers Türkgücü im immerhin 15.000 Zuschauer fassenden Grünwalder Stadion sehen. [5]

Überspitzt formuliert wären Geisterspiele also kein allzu großer Rückschritt für Türkgücü. 500 Zuschauer würden im Olympiastadion ziemlich untergehen.

Und hier liegt ein allgemeines Problem, das der Amateur-Fußball seit Jahren hat.

PROBLEME DES AMATEURFUSSBALLS

Während in München Basketball zum Spektakel etabliert wurde, wird Fußball abseits der zwei Traditionsverein Bayern und 1860  zur (fast) brotlosen Kunst. Allgemein verliert der Amateurfußball immer mehr an Zuspruch.

Das lässt sich anhand der Zuschauerzahlen der Regionalliga-Bayern deutlich zeigen. Seit Einführung der Liga in der Saison 2012/2013 sind die Zuschauerzahlen zurück gegangen.

Und das, obwohl alle Spiele professionell gefilmt und zu einer Amateur-Sportschau zusammengeschnitten werden. Der sehr große finanzielle Aufwand lohnt sich nur für die Videoproduktion.

Verband und Vereine zahlen dafür, haben aber defakto nichts davon.

Zuschauerzahlen der Regionalliga-Bayern nach Saison

Nach anfänglicher Euphorie sorgten einzelne Vereine für eine beschönigung der Gesamt-Zuschauerzahlen. Die Liga profitiert von Profivereinen, die ein unglückliches Gastjahr hier verbringen müssen, wie Jahn Regensburg 2015/2016 oder 1860 München (2017/2018),

Die Wahrheit zeigte sich in der vergangenen Saison, als nach dem Aufstieg der „Löwen“ nur noch knapp 190.000 Zuschauer den Weg in die 4. Liga-Stadien fanden. Der schlechteste Wert seit bestehen der Liga.

In der aktuellen Saison 2019/2020 war das Interesse vor der Corona-Pause weiterhin sehr gering. Mit Schweinfurth und Aschaffenburg hatten sogar nur zwei Vereine einen vierstelligen Zuschauerschnitt.

Das Interesse ebbt ab, obwohl sehr viel Aufwand für die Videoproduktion von Highlight-Videos des Verbandes betrieben wird.

Aber auch hier hält sich die Innovationskraft in Grenzen. Und darin liegt ein allgemeines Problem, das der Amateur-Fußball seit Jahren hat.

Der Fußball-Verband und viele Vereine sehen sich allzu selbstverständlich als Attraktion, die sie längst nicht mehr sind. Die Alternativen im Sport und darüber hinaus sind einfach viel zu groß.

Der örtliche Fußballverein steht im Kampf um die Gunst der Zuschauer nicht nur in Konkurrenz mit anderen Sportarten, sondern auch mit anderen Freizeit-Möglichkeiten und Online-Beschäftigungen. Viele Jugendliche spielen heute lieber das Computerspiel „Fortnite“ zu Hause über das Internet als sich auf dem Fußball-Platz zu treffen.

Dieses Problem hat Türkgücü durch seinen rasanten Aufstieg. Der sportliche Erfolg ist wesentlich schneller gewachsen als eine Fan-Gemeinschaft. Es fehlt die Tradition und Exklusivität, die zum Beispiel Bayreuth oder Schweinfurth aufweisen. Fußball ist in München übersättigt.

Was viele Sportvereine nicht bedenken: Amateursport ist kein Profisport.

Hört sich banal an. Ist es aber nicht.

Die immensen Kosten für die Videoproduktion von Highlights eifern dem großen Vorbild Profi-Sport nach, sind aber die reinste Geldverschwendung.[6] Finanziert wird das ambitionierte Internet-TV des Verbands durch eine Zwangsabgabe der Vereine. Die Amateur-Sportschau ist gut gemacht, bringt aber den Vereinen nur sehr wenig.

Nachberichterstattung von Spielen, die sowieso schon sehr wenige interessiert haben bringt keine neuen Zuschauer.

Wie können die Vereine Zuschauer gewinnen?

In Puncto Videoproduktion und Marketing sollte der Fokus nicht auf der Vergangenheit, sondern auf der Zukunft liegen!

Da wäre eine komplette Sport-Marketing-Strategie für die Vereine nötig.

Denn das Ziel ist es doch die Zuschauerzahlen zu steigern. Das erreicht man aber nicht mit Highlights von vergangenen Spielen ohne jegliche Emotion.

Promotion = Emotion = Identifikation

Dazu muss man aber die Spieler kennen. Im Online-Marketing nennt man das Retargeting. Analog läuft das im Sport-Marketing:

  • die Leute überall erreichen: Social Media, YouTube, Webseiten und der richtigen Welt
  • die Attraktion Nummer 1 in seinem Ort werden wollen.
  • Spieler zu Local Heros aufbauen.
  • alle lokalen Medien ins Boot holen.
  • sich von der Masse abheben.
  • etwas bieten, was über das Sportliche hinausgeht.

Einen gewissen Posh-Spice-Effekt. Oder etwas anderes, was nicht nur bestehende Fans (denn da gibt es ja nicht viele), sondern auch andere Leute interessiert.

Nicht umsonst wurde der FC Bayern früher FC Hollywood genannt. Die Medien fressen ihnen aus der Hand und so konnte Bayern zur größten Marke im Weltfußball aufsteigen.

Aber das machen die wenigsten Amateur- und Semi-Profivereine richtig.

Hier besteht sehr viel Optimierungsbedarf, sollte der Verein nicht nur eine Randnotiz in der 3. Liga bleiben wollen, sondern die historische Chance nutzen wollen um die Heimspiel zu Fußball-Festen zu machen. Wer schon mal in einem Fußball-Stadion in der Türkei war, wird das nie wieder vergessen. Eine ähnliche Atmosphäre zu erzeugen braucht aber sehr viel mehr als nur guten Fußball!

Es braucht Leidenschaft und langfristige Promotion-Aktionen um alle potenziellen Zielgruppen für einen Stadion-Besuch zu begeistern.

90% der Zuschauer kommen nicht, um ein Fußballspiel zu sehen!

Sie wollen Zeit mit Freunden verbringen oder etwas erleben.

Wenn es neben Fußball nichts zu erleben gibt, lockt selbst der größte sportliche Erfolg die Leute nicht an.

Vielleicht teilt der ein oder andere diese Anregungen um auf das Manko aufmerksam zu machen. Wenn Dein Verein es anders (besser) machen will, können wir uns gerne darüber unterhalten, welche modernen Möglichkeiten es gibt mehr Fans für Dein Team zu erreichen!


Quellen: